Im Widerstand gegen den Nationalsozialismus
Plakat „Der Arbeiter im Reich des Hakenkreuzes“
(Archiv der Sozialen Demokratie)
Die Hoffnungen der SPD, mit der Tolerierung der konservativen Regierung Held den Nationalsozialisten zumindest in Bayern Einhalt gebieten zu können, wurden 1933 jäh zerstört. Am 30. Januar ernannte Reichspräsident Hindenburg Adolf Hitler zum Reichskanzler einer Regierung aus Nationalsozialisten und Deutschnationalen. Auf Drängen Hitlers wurden der Reichstag aufgelöst und Neuwahlen angesetzt. Gingen die SozialdemokratInnen zunächst davon aus, den Nationalsozialisten auf legalem Wege mittels der Wahlurne entgegentreten zu können, wurden sie nun ebenso wie die Kommunisten und andere linke Parteien zum Opfer von politischer Repression und Terror. Bei den Reichstagswahlen vom 5. März erlangten Nationalsozialisten und Deutschnationale knapp die Mehrheit. Innerhalb kürzester Zeit wurden nun die SPD, die KPD und zahlreiche weitere linke Organisationen und Parteien zerschlagen. Auch in Bayern übernahmen die Nationalsozialisten mit NS-Reichskommissar Franz Xaver Ritter von Epp die Macht. Zahlreiche SPD-Mitglieder wurden verhaftet oder ins Exil getrieben. Dennoch gelang es SozialdemokratInnen, politische Widerstandsgruppen im nationalsozialistischen Bayern zu organisieren.
Die Zerschlagung der SPD
Sozialdemokraten werden nach Dachau gebracht
(Bildarchiv Hofmann)
Die Machtergreifung der Nationalsozialisten in Bayern ging mit der Stürmung von Partei- und Gewerkschaftshäusern sowie von Parteizeitungen einher. Organisationen wie das Reichsbanner, die Eiserne Front und die Sozialistische Arbeiterjugend wurden verboten. Es folgte die Absetzung aller Gemeinderäte der SPD, KPD und anderer sozialistischer Parteien. Viele PolitikerInnen kamen in das im März 1933 neu eingerichtet Konzentrationslager Dachau.
Unter diesen Eindrücken stimmte der Reichstag am 23. März 1933 über das „Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich“, das sogenannte Ermächtigungsgesetz, ab. Die Kommunisten waren zu diesem Zeitpunkt bereits aus dem Parlament ausgeschlossen. Die bürgerlichen Parteien stimmten der faktischen Entmachtung des Parlaments zu. Begründet mit der mutigen Rede des Otto von Wels waren die sozialdemokratischen Abgeordneten die einzigen, die sich gegen das Ermächtigungsgesetz erhoben. Ebenfalls gegen die Stimmen der SPD-Abgeordneten beschloss am 29. April der Bayerische Landtag ein Ermächtigungsgesetz für Hitler.
In den folgenden Wochen setzte das nationalsozialistische Regime dann zum letzten Schlag gegen die Sozialdemokratie an: Zunächst wurde das Parteivermögen der SPD beschlagnahmt. Am 22. Juni wurden schließlich sämtliche Mandate der SPD auf allen parlamentarischen Ebenen für ungültig erklärt, der SPD wurde die Betätigung verboten. Kurz darauf wurden sozialdemokratische FunktionärInnen und MandatsträgerInnen in „Schutzhaft“ genommen. In den folgenden Wochen wurden die letzten verbliebenen Vereine aus dem Umfeld der Arbeiterbewegung endgültig aufgelöst und ihr Vermögen konfisziert.
Verfolgung, Widerstand und Exil
Mitglieder des SoPaDe-Vorstandes
(Archiv der Sozialen Demokratie)
Unter der nationalsozialistischen Diktatur erfuhren zahlreiche SozialdemokratInnen Verfolgung und Unterdrückung. Allein 1934 wurden 150 SozialdemokratInnen – vorwiegend aus Franken – verhaftet. Weitere große Verfolgungswellen fanden nach Kriegsbeginn 1939 oder auch nach dem gescheiterten Hitler-Attentat vom 20. Juli 1944 statt. Trotz der Repressionen konnten sich in Form von lockeren Zusammenschlüssen wie Tischgemeinschaften, Stammtischen und Freundeskreisen sozialdemokratische Milieus als Kristallisationspunkte oppositioneller Gesinnung bewahren. In den Großstädten München, Nürnberg und Augsburg konnten sich in den Arbeitermilieus Widerstandsgruppen bilden, die kritische Texte verbreiteten und Verfolgten und ihren Familien halfen.
Von zentraler Bedeutung für die Widerstandsgruppen war der Kontakt zur Auslandsvertretung der SPD, die als SoPaDe im Mai 1933 ihren Sitz in Prag genommen hatte. Ab Sommer 1933 errichtete die SoPaDe in Grenznähe zum Deutschen Reich in verschiedenen Orten Grenzsekretariate, die den Kontakt zu SozialdemokratInnen im Reich hielten und für die Verteilung von eigens gedruckten Zeitungen, Zeitschriften, Broschüren und Flugblättern sorgen sollten. Trotz vieler Vorsichtsmaßnahmen der Untergrundgruppen gelang es der Bayerischen Politischen Polizei rasch, die Verteilernetze zu unterwandern und die AktivistInnen zu verhaften.
Als besonders langlebig erwiesen sich die im südbayerischen Raum aktiven Gruppen der Bewegung „Neu Beginnen“, die erkannte, dass die nationalsozialistische Herrschaft länger dauern werde, und sich für den gemeinsamen Kampf aller linken Kräfte einsetzte. Erst 1942 gelang es der Gestapo, die Augsburger und Münchner Gruppe auszuheben.
Chronik-Tour
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Personen
Dokumente
Zeittafel
30.1.1933
Adolf Hitler wird von Reichspräsident Hindenburg zum Reichskanzler ernannt
5.3.1933
Nationalsozialisten und Deutschnationale erlangen bei den Reichstagswahlen die Mehrheit
9.3.1933
NS-Reichskommissar Franz Xaver Ritter von Epp übernimmt die Regierung in München
Die SA stürmt Gewerkschaftshäuser- und Parteihäuser sowie sozialdemokratische Zeitungen
10.3.1933
Verbot verschiedener sozialdemokratischer Organisationen
20.3.1933
Absetzung aller Gemeinderäte kommunistischer und sozialistischer Parteien
23.3.1933
Der Reichstag stimmt über das „Ermächtigungsgesetz“ ab. Nur die Abgeordneten der SPD stimmen dagegen
Otto Wels 1933 vor dem Reichstag
(Archiv der Sozialen Demokratie)29.4.1933
Gegen die Stimmen der SPD beschließt der Bayerische Landtag ein bayerisches Ermächtigungsgesetz
10.5.1933
Parteivermögen der SPD wird beschlagnahmt
22.6.1933
Der SPD wird jegliche politische Betätigung untersagt
28.6.1933
Die bayerische Politische Polizei ordnet die Verhaftung sämtlicher sozialdemokratischer MandatsträgerInnen an
1933-1945
Ausgrenzung, Verfolgung und Ermordung von knapp sechs Millionen europäischen Juden
1939-1945
Zweiter Weltkrieg